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Montag, 14. März 2011

01 Property of Edward Masen

01 Property of Edward Masen

Bellas PoV

‚Alice, ich hasse dich.‘
Das waren so ungefähr meine Gedanken, als ich in diesem Club stand und mich unwohler kaum fühlen konnte. Entweder war sie eine wahre Sadisten oder tatsächlich so ignorant, wie sie sich gerade gab.
Am späten Nachmittag war sie in mein Zimmer gestürmt und hatte verkündet, dass wir alle in einen Club gehen würden. Heute Abend sollte dort eine tolle Band auftreten und es gäbe auch eine Happy Hour. Mit der Happy Hour hatte sie Tanya überzeugt, Rose mit der tollen Band und ja mich hatte sie eigentlich nur mit Gewalt dazu bekommen, mitzukommen. Aber okay, das war Alice. Man musste sie einfach lieben oder hassen.
Ich persönlich tendierte gerade mehr zu Zweiterem. Wieso? Es könnte mit der Tatsache zusammenhängen, dass, kaum dass wir den Club betreten hatten, alle drei verschwunden waren. Sie hatten mich hier einfach allein stehen lassen, Freiwild für Männer. Meine Rache würde gar fürchterlich sein.
Denn kaum fünf Minuten, nachdem sie in der Menge verschwunden waren, tauchte neben mir irgendein Kerl mit braunen Haaren und blauen Augen auf, der der Überzeugung erlag, dass er das Gottesgeschenk für die Frauen war.
Ich hatte seinen Namen noch vergessen, bevor er bei seinem Nachnamen angekommen war. Eigentlich fühlte sich das ganze Gespräch mehr nach einem Bewerbungsgespräch an, so genau wie er war. (Natürlich hatte er keinerlei Schwächen. Räusper.) Er erzählte mir alles von seinem Leben und ganz ehrlich? Viel gab’s eigentlich nicht zu erzählen. Die Geschichten wurden nur immer wieder nacheinander erzählt, wohl in der stillen Hoffnung, dass ich bereits vergessen hatte, dass er mir von ihnen erzählt hatte, damit ich nicht bemerkte, dass die Geschichten mit jedem Mal extremer wurden. Einfach traurig.
Ich wurde ihn aber auch nicht los. Was ich eigentlich nicht verstand. Als eine Art stillen Protests hatte ich mein Lieblingstshirt angezogen, was Alice alles andere als gut fand. Um genau zu sein, hatte sie sich bis zu dem Zeitpunkt beschwert, an dem sie einfach verschwunden war. Ich fand mein T-Shirt eben lustig.
Jedenfalls hatte ich alles versucht. Ich hab ihm erst subtile Hinweise gegeben, dann war ich zum Gähnen übergangen – worauf er nur meinte, ich solle mir doch die Hand vor den Mund halten – und schließlich hatte ich behauptet, ich müsse auf die Toilette, war aber ohne Umwege – und für ihn gut sichtbar – zur Bar gegangen und hatte mich dort hingesetzt. Er war mir einfach gefolgt.
Ich wollte gerade dazu ansetzen, ihm auf einem direkten, schmerzvollen Weg einen Korb oder Tritt zu verpassen, als neben mir ein anderer Kerl auftauchte.
Super jetzt hatte ich schon zwei. Alice würde bitterlich dafür büßen. Das schwor ich auf das Grab meiner unzähligen toten Goldfische meiner Jugendzeit. Mögen sie auferstehen und sie in ihren Träumen verfolgen!
Ich schaute mich schnell um und versuchte, Rose oder Tanya zu finden, aber die eine hing bereits einem Kerl am Hals und die andere stand bei einem riesigen Kerl mit langen schwarzen Haaren und unterhielt sich aufgeregt mit ihm.
Ich war also weiterhin auf mich allein gestellt. Bei solchen Freunden wollte ich nicht wissen, was Gott für Feinde für mich bereit hielt. Vielleicht hatte ich das auch in meiner Kindheit falsch verstanden. Vielleicht waren das hier meine Feinde. Nein. Ich liebte sie ja. Nur gerade jetzt sehr wenig.
Der zweite Kerl war größer als Mr. Hab-ich-dir-schon-von-dem-Hai-erzählt-den-ich-damals-mit-meinen-eigenen-Händen-gefangen-hatte – es fing alles mit einer einfach Bootstour an. Er grinste den anderen Typen amüsiert an und beugte sich kurz zu mir runter. Ich war kurzzeitig versucht, ihm in meiner Wut und Frustration entweder ins Ohr zu schreien oder es abzubeißen, aber glaubte nicht, dass seine Antwort darauf besonders berauschend gewesen wäre. Außerdem war es verrückt.
„Du siehst so aus, als ob du dir entweder ein Messer oder eine Rettung wünschst. Kann man behilflich sein?“
Seine Stimme war ja schon ganz nett. Okay, mehr als nett. Okay, vielleicht bin ich ein wenig rot geworden und hatte ihn fasziniert angesehen. Aber nur vielleicht.
So von Nahem betrachtet, hatte er auch wirklich schöne grüne Augen.
Swan! Krieg dich mal ein.
Der braunhaarige Kerl bekam indes langsam mit, dass ich ihm nicht einmal einen Funken Aufmerksamkeit schenkte, in der Tat hatte ich vergessen, dass es ihn gab. Schade, dass er sich durch ein Räuspern wieder in meine Realität reinmogelte.
Ich nickte dem Schönling kurz zu, als Zeichen meines Einverständnisses, bevor ich erneut einen Schluck meines Sex on the Beach nahm. Lecker das Zeug. Wie der Schönling wohl schmeckte. Wie viel vom dem Cocktail mich das wohl denken ließ? Ich behaupte viel.
Der Schönling räusperte sich kurz und der andere sah ihn kurz genervt an, da er scheinbar ungern bei seinen Erzählungen – ich hatte nicht mal bemerkt, dass er wieder angefangen hatte zu reden – gestört wurde. „Schatz, willst du mir nicht deinen neuen Freund vorstellen?“ Ich sah ihn kurz ungläubig an. „Okay. Dann mach ich das eben selbst. Ich bin Edward Masen. Freut mich dich kennen zu lernen. Und du bist?“, fragte er so scheinheilig, dass ich beinahe eher undamenhaft geschnaubt hätte.
Der Idiot zog eine seiner sicher gewachsten Augenbrauen hoch und betrachtete ihn kurz. „Mein Name ist Ferdinand“ Ich wusste es, wie mein damaliges Frettchen, auch verstorben. „Hans.“
‚Edward‘ – ich wusste schließlich nicht, ob das sein richtiger Name war – sah ihn kurz fragend an. „Hans?“ Dann nickte er kurz zu sich selbst. „Und wo kommst du her, Ferdinand?“
Mr. Von und zu Hans – war das nun sein Nachname? Warum gab ich mich nochmal mit beiden ab und ergriff nicht unbemerkt die Flucht? – verdrehte seine Augen und fragte genervt, wieso er das wissen wolle.
Edward strahlte ihn übertrieben und falsch an. „Ach, weißt du. Es ist immer etwas unangenehm, wenn man dem falschen Mann seine teure Karosse zerschlägt. Ist meist ziemlich teuer und seit dem frage ich vorher nach, um sicher zu gehen, dass es dein dicker Benz ist, der das Vergnügen haben wird, von mir und meinen Kumpeln zu einem Klumpen Altmetall verarbeitet zu werden. Du verstehst das doch sicher oder?“
Ferdinand sah ihn kurz verstört an, ergriff aber dann die Flucht. Seine Karre war ihm eindeutig lieb genug, um ihn davon zu jagen. Den Trick sollte ich mir merken. Man konnte schließlich als Frau auch ohne männliche Verstärkung super ein Auto demolieren, zerkratzen, Reifen plätten und so weiter.
Edward oder wie auch immer grinste mich an. „Ich glaube, der kommt nicht mehr so schnell wieder.“ Er sah kurz über meine Schulter hinweg und seufzte dann kurz, bevor er mich anlächelte. „Man sieht sich sicher später, Bella.“ Und schon war er in den Massen verschwunden.
Nooooooin. Jetzt war der Kerl verschwunden, der mein T-Shirt getrost hätte vergessen können. Oder für den ich einen Zusatz drauf gedruckt hätte. ‚Besteigen verboten, Eigentum von Edward Masen.‘
Ich bestellte mir einen Cosmopolitan, um mich ins Vergessen zu trinken, als Rose neben mir auftauchte. „Bella, die Band tritt jeden Moment auf. Komm schon.“
Sie zerrte mich – an diesem Abend hatte ich noch nichts freiwillig getan – hinter sich her in Richtung der Bühne.
Dort wartete man nur noch auf die Band, die wohl jeden Moment erscheinen würde. Ich persönlich hatte mein absolutes Tief gerade erreicht. Erst dieser Idiot und dann läuft mir der Schönling davon.
Ich ignorierte Rose, die mir beständig irgendwelche Fakten über die Band fütterte. Es stellte sich raus, dass sie sich vorhin den Tourmanager der Band gekrallt hatte. Sein Name war Jackson, Jake oder Jacob oder irgendein anderer Name mit J, der mich wenig interessierte. Ich wollte meinen Schönling zurück. Wenn es nicht zu kindisch gewesen wäre, hätte ich mit dem Fuß aufgestampft, eine Schnute gezogen und den ganzen Abend jeden böse angestarrt.
Mit einem Mal wurde es dunkel im Club und die Musik fing an. Kaum, dass das Schlagzeug miteinstimmte, ging auch endlich wieder das Licht an. Und da saß er. Mein Schönling. Der Schlagzeuger.
Ich habe vielleicht eventuell nur ein wenig mit offenem Mund vor der Bühne gestanden und ihn angestarrt. Darüber verpasste ich beinahe, wie der Sänger anfing ins Mikro zu schreien. „Turn your radio off, turn your video off, turn your stereo off and kick that shit out your window. Hit the streets, feel these beats, cuz what I’m gonna show you is exactly what you need!”
Bis jetzt gar nicht mal so schlecht. Was mich persönlich wunderte, war, dass Rose den Text bereits mitsingen konnte. Woher zum Teufel kannte sie dieses Lied?
„So, if you’re with it.“, sang der Frontmann, worauf der Rest der Band ins Mikro, „All night!“, schrie.
„Just admit it.“ – „Alright!” – “Cuz tonight is going down.” – “Girls” – “Shake your body!” – “Boys” – “Grab a hottie!” – “Ohoh!” – “Let’s get naughty!”
Selbst die Menge konnte mindestens Teile des Liedes mitsingen. Wo war ich nur hingeraten?
Jetzt sangen der Frontmann und mein Schönling. Hatte ich gerade ‚mein‘ gesagt? Was ich meinte war mein, natürlich, äh mein, nein äh der! Der Schönling. Gut gerettet, Swan…
„Everybody just grab somebody. Now everybody sing! I’m gonna get, I won’t let it go for a minute as long as you are with it!”
Danach sang wieder nur der Frontmann wieder, was ich nur daran bemerkte, dass mein – der Schönling aufgehört hatte, seine Lippen zu bewegen, und nur noch breit grinste.
„This ain’t no trick or treat. It’s a stick up for sweets where even crybabies get some. We’ve got a common position, a low inhibition and lots of ammunition, girl!”
Danach folgte wieder der Chorus, den wohl inzwischen wirklich jeder konnte. Ich musste  mir eingestehen, dass selbst ich Teile davon konnte. Schande über mein Haupt. Ich schob die Schuld dem Schönling zu. Ha! Ich hatte mein Schönling gesagt, äh der Schönling. Tz…
Darauf folgte der Frontmann mit: „If you try to slow us down, we show everyone around that there’s no way you can stop us. Cuz tonight we’re scandalous. Even cops can’t handle us. Cuz tonight we’re on the grind!”
Die ganzen Leute, die in der Nähe der Bühne waren, sprangen hoch und runter, manche sprangen wild gegeneinander und ich war mittendrin. Unfreiwilligerweise. Merkt euch das!
Es folgte nur noch der Refrain und dann war das Lied wohl vorbei. Ich sage ‚wohl‘, weil ich den Hauptteil meiner Aufmerksamkeit meinem Schönling – ich akzeptiere mein Schicksal einfach – und diversen Phantasien mit ihm schenkte.
Sie spielten noch drei weitere Lieder, bevor eine Pause eingelegt wurde. Ich beobachtete meinen Schönling, wie er von der Bühn in den Backstagebereich schritt und wandte mich sofort Rose zu. Antworten mussten her.
„Wer waren die?“ Ich wusste, dass der Frontmann sie irgendwann vorgestellt hatte, aber naja, ich hatte nicht gerade viel aufgepasst. Ein zweites Mal, Schande über mein Haupt.
„Heute Abend die Wishy-Washies.“ Ich sah sie fragend an. Ich meine, heute Abend? „Naja, sie haben sich immer noch nicht auf einen richtigen Namen geeinigt (AN: Nicht weil die Autorin sich noch unsicher ist! Nein! – öh Vorschläge… gerne, immer her damit.) und entscheiden sich jeden Abend neu. Deshalb konnte mir Alice auch keinen Namen sagen, als sie uns davon erzählt hat.“
Ich nickte leicht. „Und warum konnten so viele ständig Lieder mitsingen? Muss man die kennen?“
Sie lachte. „Bella, du hast echt keine Ahnung. Das erste Lied war von 4Lyn. Das ist eine Coverband. Die spielen fast nie eigene Lieder. Dass dir das aber auch nicht auffällt. Es sollte mich eigentlich nicht wundern.“, lachte sie.
Ich fühlte mich persönlich beleidigt und streckte ihr, kindisch wie ich war, die Zunge raus. „Na und? Ich kann nicht jede Band kennen.“, erwiderte ich in einem pampigen Ton.
Dann fiel mir wieder ein, dass Rose sich ja mit diesem J-Dingens unterhalten hatte und somit vielleicht Informationen zu meinem Schönling hatte. „Weißt du irgendwas über den Schlagzeuger?“ Ihr breites Grinsen deutete darauf hin, dass sie mir schon auf der Schliche war. Schnell. Eine Ausrede. „Er kommt mir irgendwie bekannt vor. Deshalb. Nicht weil er so gut aussieht.“ Naja, fast gerettet. Heute war eindeutig nicht mein Abend.
„Ich glaube, ich weiß, woher er dir bekannt vorkommt. Du standest vorhin nämlich direkt neben ihm und ich weiß aus zuverlässiger Quelle, dass er dir den Trottel vom Leib geschafft hat.“ Ihr Grinsen nahm solche Ausmaße an, dass ich befürchtete, bald einen Schutzbunker aufsuchen zu müssen, um mich vor den explodierten Teilen ihres Gesichts zu retten. Ich übertreibe? Nein, es ist der Alkohol, der übertreibt oder mich übertrieben macht. War das überhaupt grammatikalisch richtig? Und wen interessierte das?
„Dann hat dir deine zuverlässige Quelle sicher auch gesagt, dass er mich dann einfach hat stehen lassen.“, zickte ich und verschränkte meine Arme vor der Brust.
„Meine Quelle hat mir verraten, dass er das wieder gut machen will. Er musste nur schnell hinter die Bühne, weil sie ja jeden Moment anfangen sollten zu spielen.“, erklärte sie.
Tz. Die Ausrede war nicht gut genug. Aber bevor ich noch etwas Weiteres sagen konnte und mir meine Grube langsam aber sicher grub, ging das Licht wieder aus.